Leiter Entwicklung BMW M und Individual - die Antworten.
29. Februar 2008
Dipl. Ing. Albert Biermann.
Albert Biermann (Dipl. Ing.), der neue Entwicklungsleiter für BMW M und BMW Individual Fahrzeuge, hat nun die Fragen der MPW Mitglieder beantwortet.
Die MPW Redaktion wünscht viel Spaß.
Wie war es Ihnen möglich als Student aktiv Motorsport zu betreiben?
Zwei Sommersemester des Studiums sind für die Rennerei schon draufgegangen, dann wurde in Aachen weniger studiert. Ich komme aus einer Speditionsfamilie und hatte in einer Halle schon früh eine eigene Ecke, wo ich an einem Käfer gebastelt habe. In meinem Rennteam war ich Fahrer, Teamchef usw. in einer Person. Es gab noch zwei Mechaniker und meine heutige Frau, die als „Mädchen für alles“ dabei war. Mit der Rennfahrerei habe ich schon einiges von meinem Erbteil verbraucht, aber das war es wert! Ich habe sehr viel dabei gelernt und bin dadurch sehr früh sehr selbstständig geworden.
Was war beim ersten BMW M3 konkret Ihre Aufgabe?
Die Aufgaben waren breit gefächert. Als Versuchsingenieur baute ich das Fahrzeug in der Werkstatt auf. Das Auto entstand dabei tatsächlich auf der Hebebühne - virtuelle Simulation und virtuellen Musterbau gab es damals noch nicht. Wir entwickelten das Rückrat des Gruppe A M3: Karosserie und den Käfig. Auch die Tankanlage wurde von mir konstruiert. Schließlich galt es, alle Testfahrten zu organisieren und durchzuführen. Zum Job gehörte auch die Homologation des Fahrzeugs. In der Rennversion des M3 E30 wurde erstmals ein Stahlkäfig verschweißt. Trotzdem war der Käfig leichter als die bekannten verschraubten Aluminium-Konstruktionen. Und: als Ergebnis hatten wir den verwindungssteifsten Rennwagen seiner Zeit.
1987 betreute ich schließlich das Team Linder als Renningenieur.
Roberto Ravaglia lässt den BMW M3 fliegen.
Waren Sie auch an der Gruppe A Rallye-Ausführung des BMW M3 mit beteiligt?
David Richards und David Lapworth hatten sich einen Nachmittag lang das Auto in Garching angeschaut und waren begeistert. Mit seiner steifen Karosserie bot der Gruppe A M3 auch für die Rallye eine perfekte Basis. Prodrive kauft schließlich einen Rennwagen-Bausatz und entwickelte ihn für die Rallye weiter.
Wie geht man an die Entwicklung eines Rennwagens heran?
Zuerst gilt es das Reglement und die aktiven Wettbewerber zu analysieren und abzuwägen, wer potenziell noch antreten könnte. Das Wichtigste ist dann, einen guten Rohbau zu haben. Wenn die Karosserie schlecht ist, wird alles andere auch nichts. Die Karosserie muss harmonisch steif sein. Schließlich muss man aus dem Reglement „rausfuchsen“, was geht.
Für entsprechenden Erfolg braucht man eine kleine schlagkräftige Truppe, die gut harmoniert und eine klare Aufgabenverteilung. Mit so einem Team von 45 Leuten haben wir den M3 GTR in fünfeinhalb Monaten auf die Räder gestellt - inklusive Motorenentwicklung. Heute sind natürlich verlässliche Simulationstools immer wichtiger für den Erfolg und vor allem Leute, die richtig damit umgehen können.
Merkt man schon bei der Entwicklung, ob das Fahrzeug die Erwartungen erfüllen kann?
Man sollte schon vorher ein Gefühl haben, ob das Fahrzeug für das Reglement passt.
Die Fahrzeuge von BMW bieten dafür erfahrungsgemäß eine hervorragende Basis, wie hunderte von Siegen auf den Rundstrecken in aller Welt bewiesen haben.
Die Bandbreite Ihrer Erfahrung ist sehr groß: Vom M3 GTR zum X5. Wo lagen für Sie die spannendsten Unterschiede bei der Entwicklungsarbeit?
Beim M3 GTR hatten wir eine kleine Mannschaft, die mit höchster Konzentration und größtmöglichem Einsatz für das Projekt schuftete. Beim X5 arbeiteten rund 1.000 Mann in einem Projekt. Man muss dabei viel delegieren und sich darauf verlassen können, dass alles funktioniert. Wichtig ist dabei die Integrationsarbeit, einen „Spirit“ zu schaffen, dass alle an einem Strang ziehen. In dieser Hinsicht ist das viel anspruchsvoller als bei einem Rennprojekt. Die „Challenge“ beim X5 bestand darin, die ganzen Prozesse, die es in einem Unternehmen gibt, so zu vernetzen, dass im Werk in den USA termingerecht die Autos in guter Qualität vom Band laufen.
BMW M3 GTR beim Boxenstopp.
Wenn Sie den BMW M3 E30 mit dem M3 GTR vergleichen – wie beurteilen Sie den technischen Fortschritt?
Das kann man z.B. an der Steifigkeit der Karosserie festmachen: Der M3 GTR war ungefähr doppelt so steif wie sein legendärer Vorgänger. Das GTR Reglement (GT2 Le Mans) bot aber auch viel mehr Freiräume als Gruppe A-Reglement beim ersten M3.
Was sehen Sie als Ihre größte Herausforderung in Ihrer neuen Position?
Die Kunst besteht darin, Hochleistungsfahrzeuge trotz der verschärften Anforderungen in Hinblick auf Emissionen und Sicherheitsanforderungen auf die Straße zu bringen. Die Fahrfaszination eines BMW M muss auch in Zukunft erfahrbar sein, die „Schärfe“ und Differenzierung zu den exzellenten Serienmodellen von BMW erhalten bleiben.
Wir wollen Autos auf die Räder stellen, die ihre Besitzer auch in 10 Jahren noch begeistern können.
Wie unterscheidet sich denn die M GmbH als Unternehmen von der BMW AG?
Die BMW M GmbH ist näher an einem größeren Rennteam als an einem Großunternehmen. Wir sind eine im Vergleich kleine, schlagkräftige Truppe, die extrem schnell und effizient an fokussierten Zielen arbeitet.
Wie sehen Sie die Rennversion des neuen BMW M3, der für die American Le Mans Series entwickelt wurde?
Das Auto ist faszinierend. Bei der Konstruktion gab es mehr Freiräume, denn das Reglement erlaubte noch mehr als beim ersten GTR. Das Beste daran: dass wir jetzt wieder die Möglichkeit haben, die so genannten Sportwagen zu schlagen. Das haben wir schon mit dem ersten GTR geschafft und das will BMW wieder erreichen.
Sieht schon im Stand schnell aus: Rennversion des neuen BMW M3.
Da Sie ja zuletzt am X5 gearbeitet haben: Sehen Sie beim X5/ X6 Potential für ein M Modell?
Der X5 hat eine sehr gute Substanz: Seine Karosserie ist sogar steifer als seinerzeit der M3 Gruppe A. Prinzipiell bringt jeder BMW die Grundvoraussetzung für einen M mit. Ein BMW M – egal welcher - muss in seinem Segment das sportlichste aller Angebote stellen. Und das wäre technisch sicherlich auch beim X5 eine sehr interessante Herausforderung.
Die BMW AG bietet ja nun viele Dinge in der Linie 'BMW Performance Parts' an, die sich mancher M Kunde schon lange wünscht (Endschalldämpfer, Sitze, Bremse etc ). Wird M hier nachziehen und entsprechende Angebote für Sportfahrer ggf. über BMW Individual anbieten?
Mit BMW Individual wird der exklusive Charakter unserer Modelle betont, die von Hause aus sportlich sind. Hier wird, wie bei den M Modellen selbst auch, großen Wert darauf gelegt, dass die segmentspezifischen Anforderungen und damit auch die Erwartungen der Kunden bestmöglich erfüllt werden.
Bei den BMW Performance Parts sprechen wir über die Nachrüstung von Serienmodellen der BMW AG, nicht über Modelle wie den neuen BMW M3. Bei unseren BMW M Modellen zielen wir auf ein sehr sportliches Gesamtkonzept ab, das es als ganzheitliches Angebot bereits serienmäßig ab Werk gibt. Trotzdem haben wir auch die Interessen und Bedürfnisse sehr sportlich orientierter Kunden wie den genannten Sportfahrern im Blickwinkel – in der Vergangenheit hatten wir mit dem M3 CSL und dem Competition Paket entsprechend stimmige Gesamtangebote konzipiert. Über ein Zubehör-Angebot für aktuelle M Modelle denken wir natürlich nach, wenn sich entsprechender Bedarf abzeichnet. Die Diskussion in der M Power World zu diesem Thema wird auf jeden Fall aufmerksam verfolgt.
Dürfen technische anspruchsvolle Teile nicht auch schön gestylt sein? Die M Bremsanlagen haben noch optisches Potential

Klar dürfen die schön aussehen, aber die Funktion muss bei uns immer im Vordergrund stehen. Ein typisches Beispiel dafür ist das Carbondach des M3: die optimierte Funktion lässt es schön aussehen.
BMW M3 Coupé mit Carbondach.
Audi hat mit dem neuen RS6 die Messlatte nach oben verschoben. Wird die M GmbH die Lücke in Sachen Leistung mit dem M5/M6 schließen oder muss man auf die nächste Generation warten?
Entscheidend für die Philosophie von M ist, wie das Gesamtpaket funktioniert. Wer ist auf der Rennstrecke und unter anspruchsvollen Bedingungen am schnellsten und in welchem Auto fühle ich mich dabei am sichersten?
Tests in Fachmagazinen haben gezeigt, dass wir hier mit unseren Modellen hervorragend abschneiden.
Es wurde in der Presse geschrieben, dass die M GmbH Entwicklungsaufgaben für den neuen BMW Gran Turismo übernimmt. Geht dadurch Kapazität für die Weiterentwicklung von M Modellen verloren?
Wir freuen uns auf die Aufgabe, die zweifelsohne eine große Herausforderung darstellt. Natürlich ist jedoch sichergestellt, dass wir in Zukunft auch bei M voll auf dem Gas bleiben.
Wenn Sie sich ein M Modell bauen dürften, welches wäre es?
Da fällt mir spontan ein „2002 M“ ein. Mit dem BMW 02 bin ich groß geworden - bis heute ein faszinierendes Fahrzeug.
Ich träume von einem kleinen, leichten M Modell - gerne auch ein 1er. Gibt es Chancen dafür?
Vielleicht baue ich mir den „2002 M“ selbst

Albert Biermann am Steuer.
Die Wettbewerber (AMG, Quattro GmbH) rücken näher, indem sie die M Strategie kopieren. Wie will BMW M Trendsetter bleiben?
Wir beobachten das natürlich sehr aufmerksam und es freut uns, dass der Wettbewerb versucht uns nachzuahmen. Das jeweilige Original von BMW M zeichnet sich dadurch aus, dass wir die Innovationen entwickeln und dadurch einen Schritt voraus sind. Und das soll natürlich so bleiben. Beispiele dafür sind die Launch Control oder das neue M Doppelkupplungsgetriebe mit Drivelogic.
Wird es wie bei AMG, zu jeder Modellreihe ein M Modell geben oder beschränkt sich das Portfolio auf einige wenige Hochtechnologieträger?
Es wird nicht zwangsläufig für jede Modellreihe ein M Modell geben. Es gibt aber durchaus noch Möglichkeiten, die Modellpalette von BMW M zu verbreitern. Konkret können wir aber über künftige Modelle natürlich keine Auskunft geben. Wir werden zu gegebener Zeit darüber informieren.
Wahrscheinlich werden Sie sehr oft nach sportlicheren Varianten des neuen M 3 (z.B. CSL) gefragt. Trotzdem an dieser Stelle: ist der Bau eines solchen Modells beabsichtigt?
Bereits der erste CSL war ein super Erfolg, ein faszinierendes Fahrzeug mit großem Potential. Was sich ja auch in den Diskussionen in der M Power World widerspiegelt. Ich persönlich würde so ein Fahrzeug gerne wieder machen.